Neujahrswünsche bzw. Beitrag für das Jahr 2024
„Das neue Jahr sei ein Jahr des Lichtes, der Liebe und des Schaffens. Bringe den Menschen die Krone des Lebens und lasse die Kronen dieses Lebens menschlich sein. Setze dem Überfluss Grenzen und lasse die Grenzen überflüssig werden. Gib allem Glauben seine Freiheit und mache die Freiheit zum Glauben aller. Nimm den Ehefrauen das letzte Wort und erinnere die Ehemänner dagegen an ihr erstes. Lasse die Leute kein falsches Geld machen, aber auch das Geld keine falschen Leute. Gib den Regierungen ein besseres Deutsch und den Deutschen bessere Regierungen. Schenke unseren Freunden mehr Wahrheit und der Wahrheit mehr Freunde. Gib den Gutgesinnten eine gute Gesinnung; lasse die Wissenschaft Wissen schaffen. Und lasse die, die rechtschaffen sind, auch Recht schaffen. Lasse uns nicht vergessen, dass wir alle von Gottes Gnaden sind und dass alle allerhöchsten Menschen Demokraten waren. Gib unserem Verstand Herz und unserem Herzen Verstand, auf dass unsere Seele schon hier selig wird. Sorge dafür, dass wir alle in den Himmel kommen – aber noch lange nicht!“
Wünsche eines Dorfpfarrers in Mecklenburg, die er in seiner Neujahrspredigt am 1. Januar 1864 äußerte.
Yoga-Sūtra II/55 (Patañjali)
Die Sinne, so sagt das Bild der Bhagavadgita, sind die Pferde, die unseren Lebenswagen ziehen. Die Zügel sind der Wille, mit dem wir sie anschirren und im Zaum halten. Es ist dabei wichtig, was wir überhaupt mit unseren Sinnen wahrnehmen wollen; es braucht eine Aufmerksamkeitssteuerung bzw. –kontrolle. Denn nicht alles, was wir z. B. sehen könn(t)en, ist es wert bzw. ist gut für unsere Seele (citta/Keimspeicher). Es ist dann natürlich entscheidend, wie wir auch unsere inneren Sinne im Zaum halten können. Wenn wir im Asana (Meditationssitz) sitzen und unseren Geist fokussieren, wie lange halten wir das aus? Hindern uns innere Bilder an einer tiefen Versenkung? Stören sie uns sogar so sehr, dass wir ihnen folgen und die „Meditation“ abgebrochen wird? Diese Zweiheit aus erstens Bewusstmachung unserer Sinnestätigkeit und zweitens die (geduldige, anhaltende) Bemühung, die Sinne anzuschirren, etwa indem wir uns auf unseren Atem, das Mantra OM etc. fokussieren und uns davon durch äußere oder innere Reize nicht von dieser Verbindung abbringen lassen, führt zu jener „höchsten“ Sinneskontrolle, von der das Sutra spricht.
[Näheres sowie konkrete Übungen am Sūtra-Abend mit Dr. Christian Schmidt]
Yoga-Sūtra II/54 (Patañjali)
Nach der Beschäftigung mit den drei „Gliedern“ unseres Geistes (Citta) ist deutlich geworden, dass der „Verwalter“ (Manas), der einsammelt, eine ähnlich wichtige Aufgabe hat, wie der „Kanzler“ (Buddhi). Denn der Zustand unseres Geistes hängt wesentlich davon ab, womit sich unsere Sinne verbinden. Als Yoga-Übende kommt es also darauf an: Was schauen wir uns an? Was lesen wir? Was hören wir uns an? Wie sehr sind wir auf das Außen fixiert? Dass das Außen auf uns wirkt, hat sich im Austausch gezeigt. Es geht um den rechten Umgang damit. Beispiel Sehsinn: Unsere Augen nehmen Bilder auf. Wenn wir die Augen schließen, entsteht – allein durch das Schließen der Augen – keine bilderlose Innenwelt. Der innere Sehsinn zeigt uns Bilder, mit denen der Geist weiter verbunden ist. Auch davon muss man sich ablösen. Bei dem Glied „Asana“ geht es darum, einen Sitz zu finden, der es erlaubt, sich in das „All-Ewige“ zu versenken. Die Zeit, die wir hierfür nutzen, bedeutet auch ein Zurückziehen der Sinne und öffnet eine Tür in die Erfahrung „Es gibt was Besseres in der Welt.“ Frieden und Stille und von den äußeren Sinnen erfahrbare Glücksmomente gehören dazu.
Yoga-Sūtra II/53 (Patañjali)
Durch die Atemübungen wird zum einen die Verhüllung des Lichts abgetragen und zum anderen gleichzeitig die Fähigkeit zu einer (tiefen, anhaltenden) Konzentration erlangt. Diese erhöhte Konzentration (dhāraņā) ist das drittletzte Glied des Achtgliedrigen Pfades. Bei der Übersetzung der Sutra steht im Deutschen für das, was die Fähigkeit zur Konzentration erlangt, nur das Wort „Geist“ zur Verfügung. Die Sprache des Yoga ist – wie immer, wenn es um Bewusstsein geht – weitaus differenzierter. Danach besteht das Citta (das wir ebenfalls idR mit „Geist“ übersetzen) aus den drei Konstituenten: Manas, Ahaṃkāra und Buddhi. Während Ahaṃkāra der „Ich-macher“ in unserem Geist ist, ist Buddhi die Urteilskraft. Manas dagegen ist das „tägliche Werkzeug“ des Geistes, etwa das, was aufnimmt, zählt, misst, wiegt, sortiert u.ä.. Es ist der unruhige Teil unseres Geistes. Es ist verantwortlich für das Springen unseres Geistes von einem zum anderen, für das, was uns vom Hölzchen auf das Stöckchen kommen lässt. Es beurteilt nicht (das wäre Buddhi), sondern sammelt das Gesehene, Gehörte, Gefühlte … in einer „Vorkammer“ unseres Geistes. Verarbeitet wird es dann erst durch Buddhi, wenn man es dazu kommen lässt.
Yoga-Sūtra II/52 (Patañjali)
Durch Pranayama wird die Verhüllung des Lichts abgetragen. Das heißt, wir sind durch unseren „Geist“ (citta) von dem Licht (Sanskrit: prakāśa) getrennt, das im Zustand von Samadhi (Erleuchtung) hervorbricht und das mit seiner Kraft den letzten Rest an Verhüllung zur Seite fegt. Unser Geist, insbesondere mit seinen tamas- und rajas-Einfärbungen, wirkt wie eine Hülle oder Decke (Sanskrit: āvaraņam). Darauf hindeutende Übungserfahrungen zeigen: Ein „verknoteter“ Geist oder ein fixiertes Denken kann durch Pranayamas aufgelöst werden. Hinzu kommt die Verstärkung der Konzentrationsfähigkeit, mit der sich der Geist mehr und mehr in der Tiefe verankern kann. Von dieser Ebene aus sind dann die vorher vorherrschenden – belastenden bzw. nicht zielführenden – Gedanken unwirksam (geworden). Wie schon Seneca sagte, verbringen wir die meiste Zeit damit, dass wir die falschen Gedanken haben.
Yoga-Sūtra II/51 (Patañjali)
Diese Sutra wird im Kontext der folgenden Sutren verständlich und beschreibt auch die Übungserfahrung aus den Pranayama-Übungen der Sutren II/49 und 50. Wenn wir den Atem durch die Nase einziehen, spüren wir den Übergang von außen nach innen, und wir spüren den Atem „innen“ in den Atemwegen und in der Lunge. Der Atem kommt von außen und geht nach innen – und kommt von innen und geht wieder nach außen. Die nächste Stufe des Achtgliedrigen Pfads ist Pratyāhāra, „Zurückziehen der Sinne“, das mit den PY vorbereitet wird und bereits in diesen Übungen erfolgt, da sie idealweise mit geschlossenen Augen und mit nach innen gerichtetem Geist vollzogen werden. Auf dieser Stufe wird das Ausschalten der äußeren Sinne zum Programm, und die Wahrnehmung verlagert sich gänzlich nach innen. Wenn wir etwa den Sehsinn nehmen, bedeutet das, die Augen zu schließen. Damit werden die äußeren Sinne „ausgeknipst“. Aber die inneren Sinne sind noch eingeschaltet. Wir können innere Bilder sehen (Normalfall), die von Raum und Zeit unabhängig sind. Es kann sich um Bilder aus der Vergangenheit handeln oder Vorstellungen, die in der Zukunft liegen. Es können auch Bilder sein, die mit der Realität gar nichts zu tun haben. Übertragen auf PY bedeutet das, dass sich die Trennung zwischen außen und innen auflöst und überschritten wird. Diese tiefere Bedeutung von PY ist ihr eigentliches Wesen, da es eben nicht um Atem-Kontrolle, sondern um Prana-Kontrolle geht. Und bekanntlich haben die Nadis als Energiebahnen ihr eigenes Netz und sind getrennt von den Atemwegen. Durch geduldiges regelmäßiges und gewaltfreies Üben, verlagert sich der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins nach innen.
Yoga-Sūtra II/50 (Patañjali)
Um es noch einmal zu sagen: Die Atemübungen sind in ihrem Kern Lebensenergieübungen. Es wird zwar der Atem gehemmt bzw. geregelt und beeinflusst; aber es geht dabei nicht um Luft und Sauerstoff, sondern um Prāṇa (Vitalenergie), das nicht nur in den Atemwegen fließt, sondern den ganzen Körper durchzieht und in den sogenannten Nadis fließt. Dabei ist dreierlei von Bedeutung: 1. Normalerweise sind die Nadis nicht gereinigt und daher weniger durchlässig und teilweise „verstopft“ (vergleichbar Siphon). 2. Der Mensch hat dadurch weniger Lebenskraft. 3. Die Durchlässigkeit ist unterschiedlich; dadurch ist unser Wesen (citta) nicht im Gleichgewicht. Dies kann sich in Überaktivität (rajas) oder Unteraktivität (tamas) äußern.
Es ist zu beachten, dass hier ein behutsames und gewaltfreies Üben erfolgen sollte, da der Atem auch den Zustand unserer (gegenwärtigen) Persönlichkeit ausdrückt. Fortschritt auf dem Yoga-Weg ist kein „Instant“-Programm, sondern erfordert Geduld und Beharrlichkeit. Sutra II/50 verwendet im Sanskrit-Orginal das Wort „sūkṣmaḥ“. Es bedeutet angenehm, leicht. Darauf ist zu achten. Des Weiteren will die Sutra das Üben von Prāṇāyāma in eine anhaltende Übungsstruktur bringen.
Yoga-Sūtra II/49 (Patañjali)
Die richtige Sitzhaltung und das Bemühen um eine Verankerung in „der Tiefe des Seins“ sind ein wesentliches Element der Praxis des Raja-Yoga. Danach erfolgt eine Kontrolle der „Lebensenergie“ (Prana) = Pranayama sagt Sutra II/49. Atmen ist Leben! Aber der Atem ist an der Schwelle zwischen Bewusstsein und Unbewusstem. Wir sind uns die meiste Zeit unseres Atems nicht bewusst. Diese Sutra geht aber über die Bewusstmachung des Atems hinaus und verlangt eine Kontrolle des Atemstroms. Patanjali bleibt hier noch unbestimmt, was genau geübt werden soll. Er gibt insbesondere keinen konkreten Rhythmus vor, wie wir es vom Hathayoga kennen. Die Sutra macht jedoch klar, dass es mit der Hemmung bzw. Steuerung des Atems zu einer Kontrolle von Prana kommt. Wie Prana durch unseren Körper in den Energiebahnen (Nadis) fließt, hat Einfluss auf unser Denken und unsere geistige Verfassung. Wir kennen das: Wenn wir emotional erregt sind, wird unser Atem kurz und flach oder er stockt sogar. Wenn wir uns in solchen Situationen unseren Atem bewusst machen (können) und ihn unter unsere Kontrolle bringen, indem wir jeden Atemzug verlängern und den Atem vertiefen, so lösen wir uns aus dieser prekären emotionalen Lage. Zu beachten ist aber, dass hier ein behutsames und gewaltfreies Üben erfolgt, da der Atem auch den Zustand unserer (gegenwärtigen) Persönlichkeit ausdrückt. Fortschritt auf dem Yoga-Weg ist kein „Instant“-Programm, sondern erfordert Geduld und Beharrlichkeit.
Um zu erwachen, sitze ruhig da
und lass dir Atemzug für Atemzug
den Geist klären und das Herz öffnen:
Dieser dem Buddha zugeschriebene Satz beinhaltet für mich alles, was ich im Pranayama-Kurs vermitteln möchte:
„Um zu erwachen“ – das ist das, worauf wir hinarbeiten, der Grund, warum wir üben: Erkennen, was „menschengemacht“ ist – und was ewig. Was Wahrheit ist – und was Illusion.
„sitze ruhig da“ – das bedeutet: Die citta vrittis sind verschwunden – zumindest beruhigt – sodass sie nicht stören; einen nicht forttragen.
Und wir erleben die Stille. Die Stille als Kraftquelle.
Wenn wir „ruhig dasitzen“, dann sind wir mit dieser Kraftquelle verbunden; wir sind „ruhig“ und wir sind „da“.
„und lass Dir Atemzug für Atemzug“ – durch den Fokus auf den Atem gelingt das Sammeln auf einen Punkt: Atemzug für Atemzug bleibe ich beim Atem: Ich atme ein. Ich atme aus.
Atem ist Leben. Mit der Beobachtung des Atems haben wir Zugang zum SEIN.
„den Geist klären“ – mit dem Fokus auf den Atem wird der Geist geklärt – Gedanken und Gefühle, in die wir uns sonst „verwickeln“, wird die Nahrung entzogen und es ergibt sich sozusagen von selbst, dass wir Zugang zur Wahrheit bekommen.
„und das Herz öffnen“ – wenn die Klärung des Geistes glückt, wenn die Geistesschulung Wirkung zeigt, dann öffnet sich das Herz und wird weit. Das Herz als Ort der göttlichen Kraft, des universellen Bewusstseins, des reinen SEINs.
[Näheres sowie konkrete Übungen im Atem-Kurs (prāṇāyāma) mit Günter Schumacher]